Soeben erschienen in dieser schönen Lipperland-Zeitung ist dieser Artikel über die Pivitsheider Hintergründe meines mäandernden Reporterlebens. Es lebe der Teutoburger Wald! Und die Hasselbieke!
Autor: michaelstührenberg
Das Schloss des Tomaten-Prinzen
Soeben in einem Reise-Tabloid der ZEIT erschienen. Château de la Bourdaisière ist einer jener Orte, die ich nur meinen besten Freunden empfehlen und nur mit meiner allerbesten Freundin besuchen würde. Ein Märchenschloss, das sich auch gut über den berühmten Loire-Fahrradweg erreichen lässt, sofern das Wetter dafür taugt. Sonst in weniger als zwei Stunden mit dem Zug aus Paris, ab Gare de Montparnasse.
Die Tomaten-Revolution
Im SZ-Magazin vom 1. Oktober erzähle ich, warum es so wichtig ist, endlich wieder echte Tomaten zu essen – anstatt diese agroindustriell produzierten Wassergranaten aus unseren Supermärkten. Citoyens, la révolution du véritable art de vivre commence dans vos assiettes! (ganz frei nach Robespierre und Jean-Paul Sartre …)
Limans große Gelassenheit
In dem Spiegel-Wissen-Heft zum Thema « Gelassenheit » (September) steht eine Geschichte über meinen Freund, den Tuareg Liman Feltou. Ich halte ihn übrigens nicht nur für « gelassen », sondern auch für den größten noch lebenden Sahara-Führer unserer Zeit. Ihm verdanke ich meine aufregendsten und schönsten Reisen durch die Wüste. Und wie so oft und wie man sieht, war auch Pascal Maitre mit dabei!
La Rinconada
La Rinconada – la version française de notre reportage sur la mine d’or la plus haute du monde est parue cette semaine dans Paris Match. Mon ami, le photographe Pascal Maitre, va également projeter ce sujet lors du festival « Visa pour l’image » à Perpignan le 2 septembre.
Kartenvorverkauf
Der Kartenvorverkauf für den Auftakt zu WELT-GESCHICHTEN – Die Harmonie aus dem Regenwald – beginnt ab sofort im « Haus der Musik », Detmold, Krumme Str. 26. Ich freue mich auf euch alle am 12. September, 19h30, in der Christuskirche am Kaiser-Wilhelm-Platz.
WELT-GESCHICHTEN
Liebe Freunde!
Im September beginne ich eine Veranstaltungsreihe unter dem Namen „Welt-Geschichten“. Letztere sind ausgewählte Reportagen, die ich im Laufe von 25 Jahren für das Magazin GEO zusammengetragen habe, aus einigen der entlegensten Ecken unseres Planeten – aus Wüsten und Urwäldern, von einsamen Inseln und fernen Stränden. Im Mittelpunkt meiner Geschichten stehen nicht die Mächtigen und Berühmten, sondern vielmehr die Kleinen, aber Besonderen.
Die erste Folge von „Welt-Geschichten“ trägt den Namen Die Harmonie aus dem Regenwald. Das Programm besteht aus literarischen Reportagen, die ich im Wechsel mit jeweils einem Gastleser vortrage und die durch eine (stets thematisch bedingte) musikalische Begleitung einen neuen Ausdruck erhalten.
Im ersten Teil des Abends geht es um Die Horizontbewohner. Gemeint sind die Aka-Pygmäen im Kongo-Urwald. Die Geschichte beschreibt aus spürbarer Nähe die Weltsicht, aber auch den Alltag dieser Waldbewohner. Oft werden sie ja als „primitiv“ beschrieben. Dem widersprechen allein schon die polyfonen Gesänge der Aka-Frauen. Musikwissenschaftler rätseln noch immer, wie eine derart komplexe Form von vokaler Musik in der völligen Abgeschiedenheit des Waldes entstehen konnte. Dass diese Musik von einem fantastischen Harmoniegefühl zeugt, werden unsere Zuhörer ausgiebig selbst erfahren.
Die Barockindianer, die den zweiten Teil des Abends füllen, erzählen von Urubichá, einem Dorf des Guarayo-Stammes im Amazonasgebiet von Bolivien. Die eher armselige Ortschaft am Ufer des Rio Blanco verfügt über kein Stromnetz. Dafür aber über ein komplettes philharmonisches Orchester! Kinder und Jugendliche in löcherigen T-Shirts und Turnhosen interpretieren da perfekt Bach und Vivaldi. Sie sind die spirituellen Erben einer Gruppe Jesuiten, die im Jahre 1691 in die Wildnis des Nuevo Mundo zog, um dort die Seelen von „Wilden“ zu verfeinern: durch den Umgang mit der sakramentalen Musik des europäischen Barock. Eine bewegende Geschichte, die von musikalischen „Wunderkindern“ aus der deutschen Umgebung live begleitet werden soll. Im Idealfall sollten zwei Violinen, Cello, Cembalo, Harfe und eine Solostimme dabei sein.
Die Premiere findet am 12. September, um 19h30, in der Christuskirche meiner alten Heimatstadt Detmold statt. Meine Gastleser sind Eva und Joachim Thalmann (Professor an der Detmolder Hochschule für Musik). Unter Mitwirkung von Solisten der HfM Detmold.
Am 25. September, 18 Uhr, folgt eine Aufführung im Schlosskeller von Saarbrücken. Gastleser: Reinhard Klimmt (ehemaliger Bundesminister und Ministerpräsident des Saarlandes). Unter Mitwirkung von Solisten der HfM Saarbrücken.
Weitere Details zu diesen Veranstaltungen ab 1. September auf dieser Website!
Terra Mater – Baobabs

Heute erscheint meine zweite Terra-Mater-Reportage mit Fotograf Pascal Maitre. Hat großen Spaß gemacht. Hoffe, Leser sagen das gleiche!
Lesung und Podiumsgespräch in Zürich
Reportagen live: in den entlegensten Regionen dieser Welt
Gast: Michael Stührenberg
| Tür-/Kassenöffnung | 19:00 |
| Beginn | 20:00 |
| Ende | ca. 22:00 |
Reservation
| Sitzplatzkarten (unnummeriert, freie Sitzwahl) | |
| CHF 25.00 | |
| Ermässigte Sitzplatzkarten (Legi/AHV/mit einer Karte der Zürcher Kantonalbank) | |
| CHF 15.00 |

Michael Stührenberg, *1952 in Pivitsheide (D), wohnhaft in Paris, pilgert für Fernseh-, Rundfunksender und Zeitungen an entlegenste Orte der Erde. Im Kaufleuten unterhät er sich mit „Reportagen“-Chefredaktor Daniel Puntas über Begegnungen mit Menschen am Rand der Welt – und wie man überhaupt dorthin kommt.
Reportagen Live – Weltgeschehen im Kleinformat. Kaufleuten und Reportagen laden ein zu einer Veranstaltungsreihe mit Schriftstellern und Journalisten, die rund um den Globus wahren Geschichten nachspüren. Aus erster Hand erfahren, wie es vor Ort ist; nah bei den Menschen und abseits der ausgetretenen Pfade.
Veranstalter: Kaufleuten Literatur mit freundlicher Unterstützung der Zürcher Kantonalbank
ZEIT-Artikel über das jüdische Viertel im Marais
Habe bei Evelyne Sakhoun im Café/Restaurant „Les Rosiers“ zu Mittag gegessen. Reizend! Geschmeckt hat es auch, auf die alte Pariser Art: Die Bedienung (die Tochter des Hauses) nähert sich dem Tisch mit einer großen Schiefertafel, auf der steht, was die Küche an diesem Tag zu bieten hat. Heute waren es Brasserie-Klassiker wie Blanquette de veau und Coq au vin, aber es gab auch einen algerisch-sephardischen Touch mit Couscous und Tagine de boeuf. Sehr preiswert (11 €) bei gemütlicher Stimmung. Maximal 20 Gäste. Absolut zu empfehlen: 2 rue des Rosiers.
Terra Mater

Heute erscheint meine erste Reportage für Terra Mater. Ich nutze die Gelegenheit dazu, alle, die es noch nicht kennen sollten, auf dieses sehr attraktive Reportage-Magazin aus Österreich hinzuweisen. Als Freischreiber kann ich es mir leisten, gratis für eine Redaktion zu werben, die nur aus 2,5 Personen besteht und dementsprechend unter Druck steht. Lob und Dank also für Chefredakteur Andreas Wollinger und seinen Stellvertreter und Mann in allen „Gassen“, Gottfried Derka. Bei den zusätzlichen 0,5 handelt es sich um Personen aus den Bereichen Bild und Gestaltung, die sich TM mit anderen Redaktionen im Pool des Wiener Red Bull Media House teilen muss. Tolle Arbeit, chapeau!
Schützt Nene!
Soeben erscheint in GEO 2/2015 die Reportage „Frieden. Wie geht das?“ Die Chefredaktion hat aus Gründen, die für mich nachvollziehbar sind, beschlossen, einen Teil meines Textes durch einen anderen zu ersetzen. Der dadurch wegfallende Stoff ist jedoch für mich persönlich sehr wichtig. Er handelt von dem unbekannten Menschenrechtskämpfer Nene Barona aus dem Dorf El Palo. Durch seinen kompromisslosen Einsatz für die Rechte von Schutzlosen in Kolumbien geht Nene große Risiken ein. Mehrfach wurde er mit dem Tode bedroht, durch seine Feinde in Armee und Regierung. Der amtierende Präsident Juan Manuel Santos genießt im Ausland den Ruf eines Streiters für Frieden und soziale Gerechtigkeit. Dennoch geht in seinem Land das staatliche Morden gegen Gewerkschafter, Bauernführer, Menschenrechtler und linke Reformpolitiker in großem Maße weiter. Die Würdigung von Nenes Engagement durch ein international angesehenes Magazin sollte zu dem Versuch beitragen, ihm durch weniger Anonymität ein bisschen mehr Schutz zu verschaffen. Diesem Ziel kann noch dadurch gedient werden, dass möglichst viele Leser diesen Blogeintrag zur Kenntnis nehmen. Es handelt sich um den weggekürzten Teil meiner GEO-Geschichte. Danke für 10 Minuten eurer Zeit!
Gerardo Barona verkörpert das neue Lebensgefühl in El Palo, einem 700-Seelen-Dorf im Norden von Cauca. „So weit ich zurückdenken kann“, sagt der 58-Jährige Campesino hoffnungsvoll, „ist es in unserem Dorf noch nie so ruhig gewesen wie heute.“ Sechs Uhr nachmittags, es wird schon dunkel. Und wie jeden Abend seit Anbruch der neuen Ruhe, holt Don Gerardo seinen weißen Campingstuhl ins Freie, stellt ihn in den Rasenstreifen zwischen der rosa getünchten Hauswand und der gehsteiglosen Überlandstraße, die mitten durch El Palo führt. Busse und Lastwagen donnern vorüber, Mopeds und Motorräder knattern ohne Unterlass. Und während die Evangelisten-Gemeinde im Nachbarhaus noch ihre Liebe zu Jesus brüllt, zieht in der Dorf-Disko gegenüber schon das nächtliche Salsa-Gewitter auf.
Die Ruhe, von der Don Gerardo spricht, ist also nicht im akustischen Sinne zu verstehen: „Seit zwei Jahren, acht Monaten und drei Tagen ist unser Dorf nicht mehr unter Beschuss geraten. Das muss mit den Havanna-Verhandlungen zu tun haben. Es ist wie ein Wunder, die Angst geht weg.“ Menschen in ruhigen Weltgegenden können sich schwer vorstellen, wie ein Leben in El Palo aussieht. Vor allem diese immer wieder enttäuschte Sehnsucht nach einem festen Standort. Seit 2001 seien sie „rund 30 Mal“ aus ihren Häusern vertrieben worden, sagt der magere Don Gerardo, während seine imposante Gemahlin Doña Chepe, die sich nun auch ihren Stuhl ins Freie stellen lässt, die Zahl der nicht rechtzeitig Geflohenen auf “über 20“ schätzt. Immer wieder siegte auch in El Palo nur die violencia.
Doch nun greift diese neue Hoffnung um sich. Wie eine Droge, die nach Mehr verlangt und Erlösung verspricht. Warum der Frieden geradezu unausweichlich sei, glaubt am besten Gerardo Barona Avirama, alias Nene, der Jüngere der beiden Barona-Söhne, zu wissen: „In Kolumbien haben wir alle Varianten von Gewalt ausprobiert. Keine hat es geschafft, unsere Probleme lösen. Jetzt gibt es nur noch die Möglichkeit einer echten Demokratie.“
Mit 29 ähnelt Nene seinem Vater. Groß und dünn, mit gut geschnittenem Gesicht und einer beschwingten Gangart. Von der Mutter hat er das laute Lachen geerbt und die Sturheit, sich von niemandem etwas vorschreiben zu lassen. Wohl deshalb wollte Nene weder Campesino noch Guerillero werden, die einzige Berufswahl, die sich Dorfjungen in diesem Teil von Cauca bislang anzubieten schien. Die topografische Lage von El Palo wirkt wie eine Karikatur der Aussichtslosigkeit: Auf der einen Seite wird es von Hügeln begrenzt, in denen die Guerilla nistet; auf der anderen stößt es an die Zuckerrohrfelder der Großgrundbesitzer. Die Bauern hier waren immer arme Schlucker mit vielen Kindern, von denen einige mit dem Vater aufs magere Feld zogen und die übrigen zu den FARC in die Berge, wo wenigstens geregelte Mahlzeiten ausgeteilt wurden.
Aber Nene lernte früh, dass es noch einen anderen Weg geben musste. Als er 15 war, kamen Paramilitärs nach El Palo. Eines Nachts im Februar 2001 holten sie alle Bewohner des Dorfes aus ihren Betten und suchten nach „Verdächtigen“. Nenes Bruder James, der sich im lebensgefährlichen Alter von 18 befand, konnte sich verstecken. Die Söhne einer Nachbarin hatten kein Glück, sie wurden erschossen. Die Leiche des Jüngsten fand die Mutter am Morgen auf der Müllhalde.
Mit der Guerilla war es auch problematisch. 2007 wurde Iván, einer von Nenes Freunden, von einem „Milizionär“, einer Art FARC-Polizist, exekutiert. Am hellichten Tage, mitten im Dorf! Dabei hatte der Junge nie jemandem etwas getan, in El Palo war er sehr beliebt. In Wut über seinen Tod zog eine Gruppe von Mutigen, unter ihnen Nene, hinauf zum FARC-Lager in den Bergen und forderte den Abzug der Milizionäre. Es habe sich um eine „Verwechslung“ gehandelt, gestand der dortige Comandante. Und dass es ihm Leid tue um Iván.
Irgendwann danach beschloss Nene Barona, sein Leben dem gewaltlosen Kampf gegen die Gewalt zu widmen. Vieles von dem revolutionären Wandel, den die FARC versprachen, leuchtete ihm völlig ein. Aber nicht die Methode. „In Kolumbien kann es keinen Frieden geben, solange die Menschenrechte nicht gewährleistet sind“, glaubt er. „Das beginnt mit dem Recht auf Leben!“
Die lange Narbe an Nenes Unterarm rührt von einem Streifschuss, den er sich bei einer Demonstration zugezogen hat. Er arbeitet für die Menschenrechtsgruppe RED. Diese ist Teil der seit 2012 bestehenden linken Reformbewegung „Marcha Patriótica“ (MP), zu der mehr als 1750 Organisationen zählen, darunter auch die „Resguardos Indíginas“ und die „Zonas de Reserva Campesina“. Im Mai 2014 rief die MP dazu auf, im entscheidenden zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahlen für Juan Manuel Santos zu stimmen – gegen den Uribe-Kandidaten Oscar Zuluaga. Im Gegenzug versprach der Staatschef, die bedrohten Friedensaktivisten künftig besser zu schützen. Das ist nicht geschehen. Über 60 führende MP-Mitglieder sind bereits ermordet worden.
An diesem Tag ist Nene Barona in Guachené, einer Stadt im Herzen der Zuckerrohrfelder. Hier leben Afrodescendientes, Nachkommen schwarzer Sklaven. Einer von ihnen ist vor drei Tagen erschossen worden: John Jaiver Mina, 27, starb als Mitfahrer auf dem Motorrad eines Freundes. An einer Straßensperre der Armee wurden die beiden durchgewinkt, dann folgten zahlreiche Salven. Nach dem Mord verscharrten die Soldaten Minas Leiche und gingen feiern.
Trotz dieser gruseligen Details sieht Nene Anlass zu Optimismus. Der Fahrer des Motorrads habe überlebt und den Mut aufgebracht, Anzeige zu erstatten. „Und die Justiz reagiert!“, ruft Nene in triumphalem Ton. „33 Militärs stehen unter Arrest. Gegen drei, so viel ist schon sicher, wird Anklage erhoben. Die Lage der Menschenrechte verbessert sich.“
Das hängt davon ab, welche Maßstäbe man anlegt. In diesem Fall besteht der Fortschritt allein schon darin, dass Minas Leiche nicht als „falso positivo“ benutzt wurde. Der Ausdruck bezeichnet Zivilpersonen, in der Regel Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, die von der Armee gezielt in eine Falle gelockt und ermordet werden. 24 Stunden später tauchen die Leichen in einem anderen Landesteil wieder auf, wo sie, entsprechend verkleidet, den Medien als getötete Guerilleros präsentiert werden. Viele Militärs haben sich auf diese Weise Erfolgsprämien, Beförderungen und Sonderurlaube verdient. Gefahndet wird derzeit in über 3000 Fällen. Ob sie aufgeklärt werden dürfen, bleibt fraglich. Eine verärgerte Armee-Führung, heißt es in Bogotá, könnte geneigt sein, die Havanna-Verhandlungen zu sabotieren.
In einem Schnellimbiss von Guachené wartet die örtliche RED-Vertreterin. Sie habe die Familie des Opfers kontaktiert, erklärt die junge Frau: „Die Mutter ist zu einem Gespräch bereit. In fünf Minuten wird sie hier sein.“ Durch die Glasfront der Snackbar betrachtet, erinnert Guachené an das Alabama der 1960er Jahre. Zwei Matronen quälen sich durch die Mittagshitze. Niemand redet. Im Schatten einer Hauswand lehnen Männer. Sie tun nichts, blicken nur wie unbeteiligt in die Gegend. Ob sie sich für das Geschehen in der Snackbar interessieren? Eine verängstigt dreinschauende Frau betritt das Lokal. Sie grüßt schüchtern, wendet sich flüsternd an Nene, nickt einmal kurz in die Runde und ist schon wieder draußen. Nene: „Das war die Tante des Toten. Die Familie hat einen Drohanruf bekommen. Sie soll aufhören, Wirbel um die Ermordung von John Jaiver Mina zu machen. Die Leute können jetzt nicht mit uns reden.“
Dennoch, beharrt Nene Barona, die Lage verbessere sich: „Wir werden nicht locker lassen. Der Weg zum Frieden endet nicht in Havanna. Kolumbien braucht einen permanenten sozialen Dialog. Nichts mehr kann die Vertreter der Zivilgesellschaft zum Schweigen bringen.“ Außer der Tod natürlich. Die jüngste Morddrohung erreichte ihn vorige Woche aus dem Mund eines unter seinem Helm versteckten Motorradfahrers. Er nimmt sie nicht ernst. Sein üblicher Optimismus: „Vamos a ver!“ Man werde schon sehen. Auch verbrachte er unlängst vier Monate im Gefängnis. Weil ein FARC-Deserteur ihn bezichtigt hatte, Guerillero zu sein. Gewiss, vamos a ver: Sollte Nene Barona trotzdem überleben dürfen, kann dies als ein gutes Zeichen für Kolumbiens Zukunft gewertet werden. Entsteht Frieden nicht aus der Freiheit einer Gesellschaft, ihre Geschicke ohne Zwang und Gewalt zu bestimmen?
Das Foto rechts zeigt Nene Barona. Hier der Link zu der aktuellen Heftausgabe: Geo Magazin Nr. 02/15
> Lesen Sie hier die vollständige Fassung: Frieden. Wie geht das?
Schüler gefunden
Meine Suche nach ehemaligen Deutsch-Schülern des Lycée Moderne von Bouaflé hat zu befriedigenden Ergebnissen geführt, wie das Bild unten rechts demonstriert. Der Herr zu meiner Seite heißt Félix Dro Gasson. Zwar hat mein Deutschunterricht keine allzu tiefen Spuren in seinem Gedächtnis hinterlassen – abgesehen von dem Satz: „Bist du krank?“ Aber immerhin ist Félix Lehrer an demselben Gymnasium geworden und unterrichtet dort Biologie. Er und seine Gattin Fanta bestanden darauf, mich zum Dank für meine pädagogischen Diente in Bouaflé mit einem Boubou Royal, dem königlichen Gewand der Yacouba, zu ehren. Ich bedankte mich ebenfalls, wollte aber nicht versprechen, die herrliche Robe auch vor meiner Haustür in Paris zu tragen.
Zwei weitere Schüler, die ich wiederfand: Dorcace Tra, die nun seit Jahren das Archiv des Lycée Moderne de Bouaflé leitet. Die 52-jährige Witwe ist der Inbegriff der starken afrikanischen Frau: Ihr Gehalt (200 Euro) ernährt zu Hause elf Personen; was fehlt, wird über die landwirtschaftliche Frauen-Kooperative beschafft. Der Dritte im Bunde ist Richmond Abi Koffi, ein ehemaliger Klassenprimus. Beim Abitur habe er in Deutsch eine 17/20 (das entspricht der deutschen Note Eins) erhalten, erklärte er mir stolz. Anschließend habe er es zum Generaldirektor des nationalen Elektrizitätswerks der Côte d’Ivoire gebracht. Seit zwei Jahren ist Richmond ein „hohes Tier“ in der Politik.
Weniger berauschend gestaltete sich meine Wiederbegegnung mit dem „Hôtel Campement“, das im Schuljahr 1976/77 eindeutig den Mittelpunkt im Leben der weißen Gesellschaft von Bouaflé bildete. Hier spielten wir Karten und Tennis, kippten zum „Apéro“ Whisky und Pastis, tratschten über Liebesaffären und Ehebrüche. Heute verkehren in der Ruine Schlangen und Skorpione. Die letzten Weißen verließen die Stadt zu Beginn des Bürgerkriegs 2002. Alles in allem eine rührende Geschichte … demnächst in GEO.
Auf der Suche nach meinen Schülern in der Côte d’Ivoire
Befinde mich derzeit in Bouaflé, einer kleinen Stadt im sogenannten „Kakao-Gürtel“ der Elfenbeinküste. Im Schuljahr 1976/77, mit 24, arbeitete ich als Deutschlehrer im hiesigen „Lycée moderne“, miserabel bezahlt zwar, aber total begeistert von meinem ersten Abtauchen in die afrikanischen Tropen. Jetzt will ich versuchen, einige meiner damaligen Schüler wiederzufinden. Was ist aus ihnen geworden in den vergangenen 38 Jahren? Leicht kann es für sie nicht gewesen sein. Die Côte d’Ivoire ist von einem Bürgerkrieg zerrissen worden, von 2002 bis 2012 war der Busch des Kakao-Gürtels Schauplatz von Gefechten, Gemetzeln und Plünderungen. Aber ich glaube, dass die meisten meiner Schüler auch dieses Problem zu meistern verstanden haben. Damals bewunderte ich ihre große Entschlossenheit, sich mit bescheidenen Mitteln den Zugang zu einer akzeptablen Zukunft zu erzwingen. Viele stammten aus Dörfern in der Umgebung von Bouaflé; in der Stadt wohnten sie in den komfortlosen Baracken des Schulinternats und in Behelfsquartieren ohne Strom. Nachts sah ich sie unter Straßenlaternen, wie sie ihre Hausaufgaben machten und sich auf Klassenarbeiten vorbereiteten: stehend zwischen den Pfützen der Regenzeit, in den Händen ein aufgeschlagenes Buch, bei dem es sich manchmal um „Yao lernt Deutsch“ handelte. Weiteres zu diesem Thema auf diesem Blog und irgendwann in GEO.








